Erstellung einer Risikoabschätzung für Legionellen
Betreiber von Trinkwasserinstallationen, aus denen Wasser für die Öffentlichkeit bereitgestellt wird, wie z. B. von Krankenhäusern, Alten- und Pflegeheimen, Schulen, Hotels, Fitnesszentren, Friseurläden, Schwimmbädern, sowie von Trinkwasserinstallationen in gewerblich genutzten Gebäuden, z. B. Mietshäusern, sind gemäß der aktuell gültigen Trinkwasserverordnung verpflichtet, das abzugebende Trinkwasser u.a. regelmäßig auf Legionellen (Legionella spp.) zu untersuchen. Wird bei mindestens einer Trinkwasserprobe der technische Maßnahmenwert von 100 KBE/100 ml erreicht, so hat der Betreiber unverzüglich eine Risikoabschätzung für Legionellen durchzuführen oder durchführen zu lassen.
Wann muss ein Immobilienbetreiber eine Risikoabschätzung für Legionellen durchführen bzw. durchführen lassen?
Wird bei den Untersuchungen des Trinkwassers bei mindestens einer der entnommenen Proben innerhalb einer Trinkwasserinstallation der technische Maßnahmenwert für Legionellen von 100 KBE/100 ml (100 koloniebildende Einheiten / 100 ml Wasser) erreicht, so ist unverzüglich eine Risikoabschätzung (alter Begriff: Gefährdungsanalyse) durchzuführen. Diese Risikoabschätzung kann der Betreiber selbst erstellen, oder durch einen Sachverständigen erstellen lassen.1
Eine Ausnahme stellen die Hochrisikobereiche medizinischer Einrichtungen dar, bei denen ein Zielwert für Legionellen von < 2 KBE/100 ml aufgrund des höheren Infektionsrisikos für diese Patientengruppen gilt.2
Wo steht das?
Die Information, dass der Betreiber einer Gebäudeversorgungsanlage beim Erreichen des technischen Maßnahmenwertes für Legionellen von 100 KBE/100 ml unverzüglich eine schriftliche Risikoabschätzung für Legionellen durchzuführen oder durchführen zu lassen hat, steht in der deutschen Trinkwasserverordnung, § 51 „Handlungspflichten des Betreibers in Bezug auf Legionella spec.“1
Warum muß der Immobilienbetreiber eine Risikoabschätzung durchführen?
Das Infektionsschutzgesetz schreibt: „Wasser für den menschlichen Gebrauch muss so beschaffen sein, dass durch seinen Genuss oder Gebrauch eine Schädigung der menschlichen Gesundheit, insbesondere durch Krankheitserreger, nicht zu besorgen ist.“ (§37 (1))3
Ein mit Legionellen kontaminiertes Trinkwassersystem stellt ein mögliches Gesundheitsrisiko dar.
Ein Trinkwassersystem, was nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik gebaut, gewartet und betrieben wird, hat ein geringes Risiko, mit wasserassoziierten Bakterien, wie z.B. Legionellen, kontaminiert zu sein und entsprechend ein Infektionsreservoir darzustellen. Die Trinkwasserverordnung schreibt vor, dass von einer Trinkwasserinstallation nur dann an die Nutzer Wasser abgegeben werden darf, wenn mindestens die allgemein anerkannten Regeln der Technik eingehalten werden.1
Die verpflichtende regelmäßige Untersuchung des Trinkwassers durch akkreditierte Untersuchungsstellen ist eine Verifizierungsmaßnahme der mikrobiologischen Qualität des Wassers und der Einhaltung mindestens der allgemein anerkannten Regeln der Technik. Das bedeutet: Liegt die Konzentration von Legionellen in einem Trinkwassersystem bei korrekter Probenahme bei < 100 KBE/100 ml, so entspricht sie den Anforderungen der Trinkwasserverordnung in Bezug auf den Parameter Legionellen. Dementsprechend ist das von dieser Trinkwasserinstallation ausgehende Infektionsrisiko mit Legionellen gering.
Wird bei mindestens einer der durch eine akkreditierte Untersuchungsstelle entnommenen Proben innerhalb einer Trinkwasserinstallation der technische Maßnahmenwert von 100 KBE/100 ml erreicht, so stellt dies einen Hinweis dafür dar, dass Abweichungen von den allgemein anerkannten Regeln der Technik im Trinkwassersystem vorliegen, so dass die Nutzung dieser Trinkwasserinstallation ein gesundheitliches Infektionsrisiko darstellen kann. Dieses Infektionsrisiko ist durch die Erstellung der Risikoabschätzung u.a. zu beurteilen und durch gezielte, ebenfalls in der Risikoabschätzung aufzulistende Maßnahmen zu minimieren.
Wozu dient die Risikoabschätzung für Legionellen
Die Risikoabschätzung für Legionellen dient dazu, vorliegende Abweichungen eines Trinkwassersystems von den allgemein anerkannten Regeln der Technik festzustellen und zu dokumentieren, dadurch die Ursache(n) der Kontamination mit Legionellen zu identifizieren, mögliche, aus der kontaminierten Trinkwasserinstallation bestehende Risiken zu evaluieren und zu kommentieren, und Maßnahmen zu nennen, die zum Schutz der Nutzer der kontaminierten Trinkwasserinstallation dienen, so dass aus diesem Trinkwassersystem eine Infektionsgefahr minimiert wird.1
Auf der Basis der Ergebnisse der Risikoabschätzung lässt der Betreiber ein Konzept zur Beseitigung der Ursachen der Kontamination mit Legionellen und ggf. zur Sanierung der Trinkwasserinstallation erarbeiten.4
Wie hat eine Risikoabschätzung auszusehen?
Die Anforderungen an der Durchführung und der Inhalte der Risikoabschätzung sind sowohl in der Trinkwasserverordnung (23.06.2023) als auch in der Empfehlung des Umweltbundesamtes (2012) genau beschrieben. 1, 3
Zunächst ist eine Ortsbegehung durchzuführen, bei der das kontaminierte Objekt auditiert und die Abweichungen von den allgemein anerkannten Regeln der Technik festgestellt werden. Ohne eine Ortsbegehung kann ein Trinkwassersystem nicht beurteilt werden. Außerdem werden bei der Ortsbegehung Informationen zur gesamten Anlage dokumentiert, wie z. B. das Nutzungsverhalten zur Beurteilung des bestimmungsgemäßen Betriebs, die Betriebsparameter des Trinkwassersystems (z.B. Warm- und Kaltwassertemperaturen) überprüft, die Eigenschaften der Nutzer – soweit bekannt – und durch die Nutzer entstandene mögliche Beschwerden und Auffälligkeiten. Neben den Abweichungen von den Anforderungen der Trinkwasserverordnung sind die bereits erfolgten Untersuchungsergebnisse, die Probenahme und die Auswahl der Probenahmestellen zu analysieren und zu beurteilen.3
Die Veranlassung oder Durchführung von weitergehenden Trinkwasseruntersuchungen auf Legionellen, inklusive des Kaltwassers, stellt u.a. ein Bestandteil der Risikoabschätzung dar („weitergehende Untersuchung“ gemäß DVGW Arbeitsblatt W551-1).5 Die weitergehenden Trinkwasseruntersuchungen dienen dem Zweck der Identifizierung der Kontaminationsquelle bzw. ihrer Verifizierung. Durch die Dokumentenprüfung inklusive vorliegenden Strangschemata werden ebenfalls mögliche Abweichungen von den Anforderungen der allgemein anerkannten Regeln der Technik festgestellt.3
Basierend auf den bei der Ortsbegehung und bei der Dokumentenprüfung erfassten Informationen und Abweichungen wird im Rahmen der Risikoabschätzung für Legionellen das Risiko für die Nutzer „abgeschätzt“, also beurteilt. Entsprechend werden Maßnahmen zur Wiederherstellung des Betriebs des Wassersystems nach den Anforderungen der Trinkwasserverordnung genannt, damit das bestehende Gesundheitsrisiko minimiert wird.
Allerdings gibt es keine Checkliste für die oberen Schritte, und dies aus gutem Grund: Jedes Trinkwassersystem, jede Nutzergruppe und jedes Nutzungsverhalten sind unterschiedlich: auch zwei identische Trinkwasserinstallationen werden in einigen Punkten variieren, sei es die Anzahl der Bewohner des Gebäudes, ihr Alter, ihre Abwesenheit oder ihr Gesundheitszustand, die installierten Armaturen und die Funktionalität aller Bestandteile. Eine Checkliste könnte nicht alle zu berücksichtigende Faktoren erfassen und wird deswegen als nicht zielführend empfunden.
Was für Informationspflichten hat der Betreiber einer Trinkwasserinstallation gegenüber dem Gesundheitsamt in Bezug auf Legionella?
Liegt einem Betreiber die Information des Erreichens des technischen Maßnahmenwertes für Legionella durch das Labor vor, so hat er sie unverzüglich dem Gesundheitsamt mitzuteilen. Außerdem hat der Betreiber dem Gesundheitsamt die von ihm gemäß der Risikoabschätzung durchgeführten Maßnahmen mitzuteilen. Die Gesundheitsbehörde kann zusätzlich die durchgeführte Risikoabschätzung verlangen, die der Betreiber in dem Fall unverzüglich zu übermitteln hat.1
Was für Informationspflichten hat der Betreiber einer Trinkwasserinstallation gegenüber den Nutzern?
Der Betreiber einer Trinkwasserinstallation ist verpflichtet, die Nutzer des Wassersystems unverzüglich über die Ergebnisse der Risikoabschätzung sowie über die Maßnahmen, Empfehlungen und Einschränkungen für die Verwendung des Trinkwassers zu informieren, die zur Minimierung der vorliegenden Risiken und zu ihrem Schutz umgesetzt werden.1
Warum ist die Informationspflicht der Nutzer seitens des Betreibers so wichtig?
Die Nutzer einer Trinkwasserinstallation gehören zu unterschiedlichen Risikogruppen bezüglich Legionelleninfektionen. Sie können geringfügig anfällig sein, wenn z. B. keine Grunderkrankung bei ihnen vorliegt. Sie können aber auch aufgrund einer Immunsuppression oder einer Immunschwäche im Fall einer Erkrankung oder ihres Alters oder einer medikamentösen Therapie und anfälliger für eine Legionelleninfektion sein. Ein Betreiber kann unmöglich wissen, zu welcher Risikogruppe die Nutzer seiner Trinkwasserinstallation gehören. Gleichzeitig müssen Nutzer, die zu Risikogruppen gehören, die Chance haben, sich gegenüber einer in ihrer Trinkwasserinstallation vorliegenden Kontamination schützen zu können. Liegt ihnen die Information solch einer Kontamination nicht vor, so können sie sich nicht schützen. Umgekehrt: Sind sie über eine vorliegende Legionellenkontamination informiert, .so können sie sich von ihren betreuenden Ärzten Empfehlungen zum persönlichen Gesundheitsschutz geben lassen und diese umsetzen. Ein typisches Beispiel ist die Verwendung endständiger Sterilfilter für die persönliche Körperreinigung und -hygiene, sowie für das Waschen von Rohkost.
Was gilt für Krankenhäuser und sonstige medizinische Einrichtungen?
Für die Normalbereiche in Krankenhäusern und sonstigen medizinischen Einrichtungen gelten mindestens die gleichen Anforderungen an die Trinkwasserqualität. Hinzu kommen verschiedene Empfehlungen der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO), des Umweltbundesamtes (UBA), der deutschen Gesellschaft für Allgemeine Hygiene und Krankenhaushygiene (DGKH) und weiterer Fachgesellschaften.
Die Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) beim Robert-Koch Institut (KRINKO) beschreibt wiederholt Anforderungen an die Qualität des Trinkwassers für Patienten. In der KRINKO Empfehlung über die Anforderungen an die Infektionsprävention bei der medizinischen Versorgung von immunsupprimierten Patienten (2021) werden im Paragraphen 2.1.14.1 ausführlich die hygienischen Aspekte zur Konstruktion und Nutzung von Waschbecken, Duschen und Toiletten in medizinischen Bereichen dargestellt. Für Patienten aller Risikogruppen stellen ungefilterte, nicht abgekochte Leitungswasser sowie das stille Mineralwasser und das daraus entstandene Eis ein hohes Infektionsrisiko dar. Dieses Risiko wird durch „unter krankenhaushygienischen Aspekten (einschließlich Pseudomonas aeruginosa) kontrolliertes Trinkwasser; Trinkwasser abgekocht oder nach 0,2 μm Filtration, ausreichend gekochter Tee (1 min sprudelnd kochen)“ minimiert.6
Für die Hochrisikobereiche in medizinischen Einrichtungen gilt für Legionella spp. ein Zielwert von < 2 KBE/100 ml.5,6. Ab einer Konzentration von ≥ 2 KBE/100 ml Legionella spp. handelt es sich um einen Gefahrenwert. Wird eine Konzentration von Legionella spp, von ≥ 2 KBE/100 ml in einer Wasserprobe nachgewiesen, so werden entweder eine Nutzungseinschränkung oder endständige Filtration empfohlen. 6
Möchten Sie mehr wissen? Haben Sie bestimmte Fragen zu Legionellen bzw. zur Risikoabschätzung für Legionellen? Benötigen Sie Unterstützung bei der Erstellung einer Risikoabschätzung für Legionellen? Kontaktieren Sie uns gerne unter info@drvickykatsemi.com
Literatur
1 Trinkwasserverordnung vom 20. Juni 2023 (BGBl. 2023 I Nr. 159, S. 2)
2 Empfehlung des Umweltbundesamtes „Aktualisierung der Empfehlung von 2006 „Periodische Untersuchung auf Legionellen in zentralen Erwärmungsanlagen der Hausinstallation nach §$ 3 Nr. 2 Buchstabe c TrinkwV 2001, aus denen Wasser für die Öffentlichkeit bereitgestellt wird“, 14.01.2021
3 Infektionsschutzgesetz vom 20. Juli 2000 (BGBl. I S. 1045), das zuletzt durch Artikel 8v des Gesetzes vom 12. Dezember 2023 (BGBl. 2023 I Nr. 359) geändert worden ist
4 „Empfehlung für die Durchführung einer Gefährdungsanalyse gemäß Trinkwasserverordnung“, Umweltbundesamt, 14.12.2012
5 DVGW-Arbeitsblatt W 551 „Trinkwassererwärmungs- und Trinkwasserleitungsanlagen – Technische Maßnahmen zur Verminderung des Legionellenwachstums – Planung, Errichtung, Betrieb und Sanierung von Trinkwasser-Installationen“, 04. 2004.
Zum Zeitpunkt der Erfassung dieses Textes wurde der Entwurf des DVGW-Arbeitsblatts W 551-1:2025-05 „Hygiene in der Trinkwasserinstallation – Teil 1: Prävention, Ursachenklärung und Beseitigung von Legionellenkontaminationen“ veröffentlicht.
6 Empfehlung des Umweltbundesamtes. „Aktualisierung der Empfehlung von 2006 „Periodische Untersuchung auf Legionellen in zentralen Erwärmungsanlagen der Hausinstallation nach § 3 Nr. Buchstabe c TrinkwV 2001, aus denen Wasser für die Öffentlichkeit bereitgestellt wird“, 14.01.2021